Mit welchen Herausforderungen sind Firmen bei ihren KI-Projekten konfrontiert?
Bei Kundenprojekten sehen wir primär drei Themengebiete, die die Einführung von KI bremsen:
1. Compliance, Datenschutz und Security: KI-Systeme nutzen oft sensible, personenbezogene oder geschäftskritische Daten. Deshalb müssen sie regulatorische Vorgaben erfüllen, insbesondere bezüglich Datenschutz, Qualität, Nachvollziehbarkeit und Fairness.
2. Strategie und Business Value: Immer wieder sind KI-Services nicht klar in die übergeordnete Firmenstrategie eingebettet. Dadurch fehlt ein eindeutiges Ziel. Zudem fällt es Unternehmen schwer, den konkreten Mehrwert ihrer KI-Services zu messen.
3. Organisation und Change Management: Die Einführung von KI-Lösungen bedeutet, dass sich Prozesse, Rollen und Arbeitsweisen verändern. Häufig unterschätzen Unternehmen das Ausmass dieser Veränderungen.
Wie sollen diese Hürden abgebaut werden?
Beim Thema Compliance, Datenschutz und Security hängt es stark vom Use Case, der Firma und Branche ab. Wichtig ist, von Anfang an die Anforderungen zu betrachten, die mehrheitlich technisch oder organisatorisch lösbar sind. Deshalb empfehlen wir, ein Pilotprojekt nicht als rein technischen PoC zu planen, sondern frühzeitig in die produktive Umgebung zu überführen. Das zwingt dazu, Compliance-, Datenschutz- und Security-Themen von Anfang an zu berücksichtigen – anstatt sie erst bei der Skalierung zu integrieren.
Beim Thema Strategie und Business Value wiederum empfehlen wir, die Firmenstrategie als Kompass zu verwenden und konsequent zu überlegen, wie KI die strategischen Ziele unterstützen kann. Danach bewerten wir die ermittelten Use Cases anhand von drei Dimensionen: strategische Relevanz, Business Value basierend auf Business Case und Machbarkeit. Die Use Cases werden priorisiert, gemäss einer Roadmap orchestriert und umgesetzt. Sie werden laufend den KPIs gegenübergestellt und bei Bedarf angepasst.
Und für das Thema Organisation und Change Management schliesslich gilt: Wie bei jedem IT-Projekt sollen alle Betroffenen involviert werden – vom Entscheidungsträger über die Betriebsverantwortlichen bis zu den Endnutzern. Dann geht es darum, die Auswirkungen auf Prozesse, Organisation und Benutzerverhalten zu antizipieren, zu begleiten und zu beobachten. Häufig müssen noch während der Test- und Einführungsphase Justierungen erfolgen. Denn neue KI-Lösungen führen oft zu nicht vorhersehbaren Verhaltensänderungen. Sicher ist: Je besser die Bedürfnisse der Betroffenen erkannt und abgedeckt werden, desto höher ist deren Akzeptanz.
Sie befürworten einen ganzheitlichen Ansatz. Wie gehen Sie mit dem Risiko um, dadurch Projekte zu lähmen?
Das Risiko besteht tatsächlich. Es ist jedoch unrealistisch oder sogar kontraproduktiv, darauf zu warten, dass alle Themen vorab vollständig geklärt sind. Die Einführung von KI ist eine iterative Reise, auf der Mitarbeitende und Firma gemeinsam lernen und wachsen.
Ein schrittweises Vorgehen ist durchaus sinnvoll – vorausgesetzt, es ist eingebettet in eine klare Gesamtstrategie nach dem Prinzip «think big, start small».
Um Risiken zu minimieren und zugleich den notwendigen Lernprozess zu ermöglichen, sollte man sich anfangs in einem Piloten, der eine zentrale Phase darstellt, bewusst auf einen kleinen, aber repräsentativen Teil des Use Cases und der Nutzergruppe konzentrieren. Ein gutes Beispiel dafür ist ein Projekt bei einer Schweizer Versicherung. Dort wurde ein Selfservice-Voicebot zunächst nur für rund 1 Prozent des täglichen Anrufvolumens aktiviert. Auf dieser Grundlage konnte der Service schrittweise weiterentwickelt und sowohl funktional als auch in der Reichweite ausgebaut werden.
Möchten Sie wissen, welche Schlüsselkriterien KI-Services zum geschäftlichen Erfolg verhelfen? Dann bitte hier entlang zum Artikel von Stéphane Mingot.
Dieses Interview ist zuerst im AI Special der Netzwoche vom August 2025 erschienen.