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Die Multi-Cloud-Strategie: Was sie ist und wie sie am besten eingesetzt wird

Geschrieben von Patrik Meier | 18.12.2025 13:34:57

Cloud-Technologien entwickeln sich rasant weiter und stellen Unternehmen immer wieder vor neue strategische Entscheidungen. IT-Verantwortliche stehen vor der Herausforderung, die richtige Balance zwischen Flexibilität, (Daten-)Sicherheit und Innovationskraft zu finden. Der Multi-Cloud-Ansatz eröffnet hier Möglichkeiten, die weit über das hinausgehen, was On-Prem- und Hybrid-Cloud-Strategien zu bieten haben. 

Was ist eine Multi-Cloud-Strategie?

Zuallererst ist Multi-Cloud kein Produkt der Cloud-Anbieter. Sie ist eine Strategie, bei der ein Unternehmen verschiedene Cloud-Anbieter parallel nutzt, konkret also Dienste von mindestens zwei Cloud-Anbietern verwendet. Damit ist die Multi-Cloud-Strategie eine Weiterentwicklung des reinen Cloud-Ansatzes und hebt sich auch von der Hybrid-Cloud ab.

Hybrid Cloud vs. Multi-Cloud

     
Hybrid Cloud   Multi-Cloud
Hierbei handelt es sich um eine Kombination von Private-Cloud (z.B. On-Premises oder gehostet/outgesourct) und einer Public-Cloud, die in der Regel eine integrierte Steuerung, Datentausch und Orchestrierung zwischen den Umgebungen aufweist.   Hier liegt der Fokus auf der Nutzung mehrerer Cloud-Anbieter mit dedizierter Nutzung für bestimmte Services, bei der eine Integration zwischen den Umgebungen vorhanden sein kann, aber keine zwingende Voraussetzung ist.

Was sind die Vorteile einer Multi-Cloud-Strategie?

Innovationspotenzial

Cloud-Anbieter investieren kontinuierlich in die Entwicklung neuer Produkte und Dienste. Wenn Sie eine Multi-Cloud-Architektur betreiben, steht Ihnen eine grössere Auswahl an neuen Technologien und Services offen, mit denen Sie Ihr eigenes Angebot verbessern und Arbeitsabläufe optimieren können.

Performance-Verbesserung

Eine Multi-Cloud-Strategie erlaubt es Ihnen, unter vielen Cloud-Anbietern gezielt diejenigen auszuwählen, deren Features und Funktionen Ihre Anforderungen am besten erfüllen. Hier kommen Faktoren wie Geschwindigkeit, Leistung, Zuverlässigkeit und geografischer Standort zum Tragen. So können Sie eine Strategie ausarbeiten und diejenigen Funktionen des jeweiligen Anbieters wählen, die auf Ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind.

Unabhängigkeit

Eine Multi-Cloud-Umgebung gibt Ihnen einen höheren Grad an Unabhängigkeit, denn es erleichtert schnellere Wechsel zwischen Providern. Dies hilft insbesondere, um einen Vendor Lock-in zu vermeiden. Mit einem Multi-Cloud-Setup ist man beispielsweise nachteiligen Anpassungen der Kostenstruktur oder der Nutzungsbedingungen eines Anbieters nicht schutzlos ausgeliefert, sondern kann bestimmte Prozesse auf die Cloud eines anderen Anbieters verlagern.

Reduziertes Ausfallrisiko

Eine Multi-Cloud-Architektur kann dazu dienen, Ausfallzeiten auf ein Minimum zu reduzieren . Beispiele  aus der jüngeren Vergangenheit haben gezeigt, dass Downtimes von Public Clouds sowohl für einzelne Unternehmen als auch gesamtwirtschaftlich kostspielige Folgen haben. Eine Multi-Cloud-Lösung kann als Fail-safe eingesetzt werden, um bei einem Ausfall eines Providers geschäftskritische Prozesse auf noch die funktionsfähige Plattform zu übertragen. Initiativen wie die zwischen AWS und Google helfen, die dafür notwendige Integration zwischen den Clouds zu optimieren.

Compliance

Kernsysteme und sensible Kundendaten bleiben bei einem Anbieter mit klar definierter Datenlokation und geprüften Compliance-Kontrollen, während Anwendungen mit geringerer Datenkritikalität, wie etwa Chatbots, Analytics Sandboxes oder Innovation Labs, auf anderen Clouds laufen, die technologisch weiter vorne sind.  Die Kunst besteht darin, Datenschnittstellen so zu begrenzen, dass man von Innovation profitiert, ohne aufsichtsrechtlich ins Schleudern zu geraten.

Was sind die Nachteile einer Multi-Cloud-Strategie?

Komplexer Betrieb

Je mehr Plattformen eingebunden sind, desto komplexer wird der einheitliche Betrieb der gesamten Umgebung. Sicherheitsrichtlinien, Identitätsverwaltung, Monitoring und Kostensteuerung müssen übergreifend funktionieren, damit keine Lücken oder Doppelstrukturen entstehen.

Organisatorische Herausforderungen

Ein weiterer Punkt ist die organisatorische Steuerung: Unterschiedliche Cloud-Modelle, Abrechnungslogiken und technische Schnittstellen erfordern klare Verantwortlichkeiten und abgestimmte Prozesse. Ohne einheitliche Governance kann der Überblick über Ressourcen, Datenflüsse und Kosten leicht verloren gehen.

Zusätzliche Kosten

Naturgemäss sind bei einer Multi-Cloud-Strategie die Kosten tendenziell höher als bei einem einzelnen Provider. Dies liegt mehrheitlich in möglichen Verbindungen zwischen den verschiedenen Cloudanbietern und deren Datenaustausch. Deswegen gilt es, die Abhängigkeiten zwischen den Clouds im Auge zu behalten, denn die Datenübertragung ist in vielen Fällen mit volumenbasierten Kosten verbunden. Darüber hinaus muss aber mit Bedacht entschieden werden, welcher Service wo umgesetzt wird bzw. ob eine Duplizierung erforderlich ist.

Erforderliche Expertise

Schliesslich verlangt eine Multi-Cloud-Strategie qualifizierte Fachkräfte, um die verschiedenen Umgebungen und Services effizient zu managen. Diese müssen mit den spezifischen Konzepten, Werkzeugen und Best Practices umgehen können. Für KMUs, aber auch für viele grössere Unternehmen und Organisationen ist es eine Herausforderung, die nötige Expertise und Werkzeuge bereitzustellen, um eine nachhaltige und operativ stabile Multi-Cloud-Strategie dauerhaft zu etablieren. Deshalb wird oftmals der Einsatz von Cloud-agnostischen Werkzeugen präferiert.

Wann ist eine Multi-Cloud-Strategie sinnvoll?

Die Umsetzung einer Multi-Cloud-Strategie muss aus den genannten Gründen gut durchdacht und begründet sein, und nicht nur um der Multi-Cloud willen oder als «just in case»-Absicherung erfolgen. 

Auf der Basis von Referenzfällen lassen sich verschiedene Szenarien ableiten, die es in die Entscheidungsfindung für oder gegen eine Multi-Cloud-Strategie einzubeziehen lohnt: 

Szenario 1: 

Ein überregional agierendes Unternehmen möchte seine Nutzenden mit niedrigen Latenzen bedienen und gleichzeitig hardware- und providerbedingte Ausfälle abfedern. 

Im Vordergrund steht bei diesem Szenario die Performanz in Kombination mit Skalierbarkeit, hoher Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit unter Wahrung von Provider-Unabhängigkeit und Flexibilität. Eine Multi-Cloud-Strategie dafür könnte wie folgt aussehen:

  • Um Arbeitslasten zu verteilen und Ausfallrisiken zu minimieren werden die betroffenen Anwendungen über mehrere Cloud-Anbieter (= Cloud A und B in Abbildung 1) und Regionen verteilt. Die Multi-Cloud-Integration erfolgt dabei über einheitliche CI/CD-Pipelines, standardisierte APIs und serviceübergreifendes Identity and Access Management.
  • Die Verfügbarkeit wird zudem erhöht, indem ein Content Delivery Network (CDN) zum Einsatz kommt.

In diesem Szenario hilft der Einsatz von Multi-Cloud, Single-Vendor-Risiken wie regionale Störungen und Ausfälle zu minimieren.

Abbildung 1: Redundante Multi-Cloud-Architektur für Skalierbarkeit, Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit

Szenario 2: 

Ein datengetriebenes Unternehmen möchte seine verschiedenen Geschäftsbereiche mit den jeweils leistungsfähigsten Cloud-Services unterstützen. Während ein Teil der Anwendungen klassische Web- und Mobile-Workloads umfasst, die stabil, skalierbar und kosteneffizient betrieben werden sollen, erfordern andere Bereiche, wie etwa Data Analytics, Machine Learning und Datenverarbeitung, spezialisierte und besonders leistungsfähige Plattformdienste. 

In diesem Szenario sind Innovationsfähigkeit und die selektive Nutzung der Stärken verschiedener Anbieter die Prioritäten. Eine Multi-Cloud-Strategie dafür könnte wie folgt aussehen:

  • Standard-Business-Anwendungen werden weiterhin kosteneffizient und stabil auf der vorhandenen Haupt-Cloud (= Cloud A in Abbildung 2) betrieben.
  • Analyse-, KI- und Datenverarbeitungs-Workloads nutzen hingegen dedizierte Services eines zweiten Providers (= Cloud B in Abbildung 2), der in genau diesen Bereichen marktführende Technologie bietet, beispielsweise leistungsfähige Data Warehousing Engines, GPU-Cluster und Managed ML Services.
Durch diese bewusste Verteilung der Workloads nutzt das Unternehmen die Stärken der jeweiligen Anbieter optimal aus, ohne sich bei innovativen Geschäftsbereichen durch die Limitierungen eines einzelnen Providers einschränken zu lassen.
Abbildung 2: Partitionierte Multi-Cloud-Architektur für die selektive Nutzung gemäss Best-of-Breed  

Szenario 3: 

Ein Unternehmen aus der Finanz- und Versicherungsbranche betreibt mehrere geschäftskritische Anwendungen, die strengen regulatorischen Vorgaben unterliegen. Gemäss nationalen und branchenspezifischen Compliance-Richtlinien dürfen personenbezogene Informationen, Transaktionsdaten und Risikomodelle ausschliesslich in einer bestimmten Region verarbeitet und gespeichert werden. Audit-Nachweise, Verschlüsselungsmechanismen und Datenzugriffe müssen jederzeit lückenlos nachvollziehbar sein. Gleichzeitig entwickelt das Unternehmen neue digitale Produkte, die eine hohe Innovationsgeschwindigkeit sowie moderne Plattformdienste erfordern, wobei einige dieser Dienste nicht oder nur eingeschränkt beim primären Cloud-Anbieter verfügbar sind.

In diesem Szenario müssen regulatorische Anforderungen mit der Nutzung innovativer Features eines nicht konformen Anbieters in Einklang gebracht werden. Um diesen Zielkonflikt zu lösen, könnte die Multi-Cloud-Strategie wie folgt aussehen:

  • Regulierte Kernsysteme werden in einer Cloud betrieben, die dedizierte Rechenzentren, konforme Sicherheitsstandards und strenge Datenlokalität garantiert (= Cloud B in Abbildung 3).
  • Innovative, international ausgerollte Anwendungen nutzen gleichzeitig Plattformdienste eines globalen Hyperscalers, um Skalierung, Time-to-Market und Entwicklungsproduktivität zu maximieren (= Cloud A in Abbildung 3).

Datenflüsse zwischen den beiden Clouds werden in diesem Umfeld detailliert daraufhin geprüft, dass sensitive Daten in der erlaubten Region des primären Cloud-Anbieters verbleiben und nur pseudonymisierte oder aggregierte Daten in die Cloud des zweiten globalen Anbieters übertragen werden. Durch diese zweigleisige Architektur erfüllt das Unternehmen alle regulatorischen Anforderungen und nutzt gleichzeitig modernste Cloud-Services, um innovationsfähig zu bleiben. 

Abbildung 3: Partitionierte Multi-Cloud-Architektur für Compliance

Schweizer Use Case

Neben den drei exemplarisch beschriebenen Szenarien existiert eine Vielzahl weiterer Konstellationen, in denen eine Kombination aus technischen, geschäftlichen und/oder regulatorischen Faktoren zu einer Multi-Cloud-Strategie führt. Ein typisches Beispiel aus der Schweiz ist der Betrieb von Internet-TV-Diensten, die im Rahmen einer AWS-Cloud-First-Strategie realisiert werden, während das Unternehmen parallel je nach Anwendungsfall zusätzliche Services über eine eigene Private Cloud, sowie über Dynamic-Computing-Angebote für Geschäftskunden bereitstellt. Für KMU existieren zudem spezialisierte Lösungen, etwa Angebote von Microsoft Azure oder vollständig integrierte IT-Pakete mit ausschliesslicher Datenhaltung in der Schweiz.

Zu diesen spezifischen Szenarien, die mögliche gezielte Verteilungen von Anwendungen auf verschiedene Cloud-Provider beschreiben, gibt es allgemeine technische Empfehlungen, um Anforderungen wie Datenhoheit, Performance und Latenz, Skalierbarkeit rechenintensiver Workloads, Resilienz und Ausfallsicherheit, Provider-Unabhängigkeit, Sicherheit und stabilen Betrieb in einer Multi-Cloud-Architektur zu adressieren. 

Empfehlungen 

  • Datenhoheit: Verwenden Sie eine dedizierte Cloud, Region oder On-Prem-Umgebung mit garantiertem Standort zur Verwaltung und Verarbeitung sensibler Daten, um regulatorische Anforderungen zu erfüllen.
  • Performanz: Verteilen Sie leistungs- und latenzkritische Workloads regional, und verwenden Sie  Multi-Region Loadbalancing und CDN, um Nutzenden stets die kürzeste Route bereitzustellen.
  • Skalierbarkeit rechenintensiver Workloads: Bündeln Sie rechenintensive Workloads wie KI und analytische Dienste in der Cloud, die die leistungsfähigsten spezialisierten Dienste bereitstellt, während operative Daten über standardisierte Pipelines angebunden werden.
  • Resilienz/Ausfallsicherheit: Verteilen Sie geschäftskritische Anwendungen über mehrere Clouds und richten Sie globale Failover-Mechanismen mit zentralem Gateway ein, um den unterbrechungsfreien Betrieb zu gewährleisten.
  • Provider-Unabhängigkeit: Setzen Sie durchgängig auf Container-Technologie, standardisierte APIs und Infrastructure as Code (IaC), um cloudspezifische Abhängigkeiten zu minimieren und die Portabilität von Anwendungen zu erhöhen.
  • Sicherheit: Verwenden Sie ein homogenes Sicherheitsmodell ohne Lücken und Inkonsistenzen  mittels Anwendung des Zero-Trust-Modells über ein harmonisiertes Rollen- und Berechtigungsmodell, zentralisierter Identitäten, sowie cloudübergreifender Schlüsselverwaltung, Policy-Durchsetzung und Audit-Reporting. Achten Sie bei direkter Verbindung zwischen den Clouds auf eine durchgängige End-to-End-Verschlüsselung über alle Sicherheitsschichten hinweg.
  • Stabiler Betrieb: Verwenden Sie einheitliche CI/CD-Pipelines, ein zentrales Logging und durchgängige Observability, damit alle Cloud-Umgebungen mit den gleichen Betriebsprozessen überwacht, bereitgestellt und getestet werden.

Schlusswort

Eine Multi-Cloud-Strategie kann eine bewusste Machtverschiebung für ein Unternehmen sein: weg vom einzelnen Anbieter, hin zu einem selbstbestimmteren Mix aus Diensten. Firmen und Organisationen erlangen so Flexibilität und Resilienz sowie die Chance, für jede Aufgabe den passenden Baustein zu wählen – zahlen dafür aber nicht nur mit höheren Kosten, sondern auch mit höherer organisatorischer und technischer Komplexität.

Gerade in der Schweiz, mit stark regulierten Branchen und einer hohen Sensibilität für Datenhoheit, kann das Multi-Cloud-Management zur strategischen Schlüsselkompetenz werden: Kritische Daten bleiben in souveränen Umgebungen, die globale Vielfalt der Hyperscaler kommen der Innovation zugute. Wer diesen Spagat beherrscht, macht aus der Cloud mehr als nur ein Auslagerungs-Projekt – er macht sie zum Gestaltungsinstrument für das eigene Geschäftsmodell.



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