In der digitalen Ära von schnellen Swipes ist Aufmerksamkeit zur knappen Ressource geworden. Information muss heute nicht nur korrekt, sondern vor allem schnell erfassbar und visuell ansprechend sein. Klassische Info-Plattformen mit Textwüsten und Menüs verlieren dabei schnell an Reiz. Die Herausforderung liegt darin, selbst komplexe Inhalte so zu gestalten, dass sie in Sekunden verstanden und bei Interesse in der Tiefe entdeckt werden können.
Je genauer digitale Schnittstellen unsere echte Welt abbilden, desto leichter fällt der Zugang. Erlebnisorientierte Anwendungen setzen genau hier an: Sie schaffen Umgebungen, die nicht erklärt werden müssen, sondern erlebt werden können. Statt abstrakten Menüs und klickbaren Kacheln entstehen digitale Räume, die der Nutzer intuitiv begreift.
Ob eine Produktionshalle mit visualisierten Energieflüssen oder ein Ausbildungsbetrieb mit verschiedensten Berufsbildern – die Inhalte werden nicht nur vermittelt, sondern spürbar gemacht. Dieses Erlebnis bleibt im Gedächtnis und schafft eine emotionale Verbindung zum Thema.
Die wohl bekanntesten Vertreter erlebnisorientierter Benutzerführung sind Virtual- und Augmented-Reality-Anwendungen.
Die Vorteile erlebbarer Anwendungen lassen sich auch ohne VR-Brille und mit überschaubarem Aufwand nutzen. Beispielsweise ist für ein Unternehmen aus dem Bereich Infrastruktur, Energie und Bildung eine digitale 3D-Welt entstanden, die Themen wie Lebensraumgestaltung und Berufsausbildung direkt erfahrbar macht.
Die virtuelle Umgebung orientiert sich an vertrauten Strukturen wie Dorfkern, Wohnquartieren oder Gewerbeeinrichtungen. So finden Nutzende leicht den Einstieg. Statt sich durch Menüs zu klicken, orientieren sie sich im Raum, in dem Inhalte dort auftauchen, wo sie auch im echten Leben zu erwarten wären.
Die Anwendung läuft auf Smartphone, Laptop, grossen Bildschirmen oder einem interaktiven Tisch bei Messen . Sie eignet sich überall dort, wo Menschen sich auf spielerische Weise mit komplexen Themen beschäftigen sollen.
Die folgende Tabelle vergleicht die klassische Darstellung mit Kacheln mit der erlebnisorientierten Anwendung am Bildschirm und führt die jeweiligen Merkmale auf:
Kacheln, Menüs, Diagramme
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Erlebnisorientierte Anwendung |
Nutzer muss Zusammenhänge selbst erschliessen | Zeigt Zusammenhänge durch räumliche Nähe |
Visuelle Struktur oft abstrakt | Visuell, intuitiv, wie ein reales Umfeld |
Informationen sind nebeneinander angeordnet | Informationen sind miteinander verknüpft |
Benötigt Erklärung oder Schulung | Funktioniert auch ohne Vorwissen |
Kann Überforderung und Berührungsscheu auslösen | Weckt Neugierde und wirkt einladend |
Wirkt kühl und distanziert | Wirkt lebendig und versprüht Emotionen |
Fühlt sich nach Arbeit an | Fühlt sich nach spielerischem Entdecken an |
Mixed-Reality-Tisch |
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Noch niederschwelligerer Zugang als Bildschirm-Anwendung | |
Verstärkt den Hingucker-Effekt | |
Fördert kollaboratives Entdecken in der Gruppe | |
Vertraute Interaktion durch reale Handhabung von Gegenständen |
Die Einsatzmöglichkeiten einer erlebbaren Anwendung sind vielfältig und reichen weit über reine Visualisierung hinaus:
Themenbereich | Beispiele für Anwendungen | Eignung/Nutzung der erlebbaren Anwendung |
Messe- und Event-Kommunikation | Interaktives Modell einer digitalen Behörde, begehbare Versicherungswelt, Logistik-Szenarien | Aufmerksamkeit erzeugen, Emotionen wecken, Leistungen verständlich machen |
Wissensvermittlung | Schulung zu Finanzprodukten, Einführung in Regulatorik, Erklärung von Technologien, Nachhaltigkeit in Lieferketten | Komplexe Inhalte visuell erklären, Mitarbeitende und Kunden ohne Vorwissen abholen |
Stakeholder-Kommunikation | Projektkommunikation bei Infrastrukturprojekten, Einführung neuer Services | Transparenz schaffen, Beteiligung fördern, Vertrauen durch Anschaulichkeit stärken |
Verhaltenssteuerung / Awareness | Cybersecurity-Awareness, CO₂-Fussabdruck in Logistik, Energieverbrauch öffentlicher Gebäude | Wirkung individuellen Handelns erfahrbar machen, Verantwortungsbewusstsein fördern |
Prozessüberwachung und -steuerung | Lieferketten-Monitoring, Netz- oder Verkehrssteuerung | Frühzeitige Problemerkennung, klare Zustandsübersicht, Live-Daten einordnen können |
Szenariodenken und Zukunftssimulation | Simulation von Marktverhalten, Risikoszenarien im Katastrophenschutz, Supply-Chain-Störungen | Zukunftsszenarien verständlich durchspielen, Entscheidungsgrundlagen stärken |
Produkt- und Dienstleistungserklärung | Digitale Finanzprodukte (z.B. Hypotheken), Versicherungsmodelle, Logistiklösungen für KMUs | Nutzen klar vermitteln, Vertrauen schaffen, Entscheidungsfindung unterstützen |
Unterbewusstes Training im digitalen Zwilling
Erlebbare Anwendungen werden sich weiterentwickeln, beispielsweise in die folgende Richtung:
Stellen wir uns vor, die digitale Steuerung einer Industrieanlage bildet nicht nur Prozesse ab, sondern auch den physischen Raum. Wer in der virtuellen Umgebung ein Ventil betätigt, erkennt zugleich, wo es sich in der realen Umgebung befindet – nicht abstrakt auf einem Schema, sondern eingebettet in eine vertraute Umgebung. Die Benutzer werden so unterbewusst für den Ernstfall geschult, wenn die Technik versagt und manuelles Wissen an der Anlage vor Ort gefragt ist.
So eindrucksvoll erlebnisorientierte Anwendungen auch sind – sie sind kein Allheilmittel. Damit sie ihren Mehrwert entfalten können, sollten die folgenden Aspekte berücksichtigt werden:
Ein Unternehmen, das bereit ist, sich trotz deren Herausforderungen und Grenzen auf erlebbare Anwendungen einzulassen, erschliesst sich eine neue Ebene der Kommunikation. Eine, auf der es die Menschen intuitiv abholt und ihnen komplexe Inhalte nachhaltig vermittelt.